Zu den bekanntesten Schwarzwaldengländern zählt die Uhrenhandlung Camerer, Kuss & Co. mit Ihren Teilhabern. Die Wurzeln des Uhrengeschäftes reichen zurück bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, als sich in dem einst bedeutenden Uhrmacherdorf Neukirch, damals Amtsbezirk Triberg, der Schwarzwälder Andreas Kamerer aufmachte in England Uhren zu verkaufen.
Das Sortiment des Ladengeschäftes bediente in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts alle Käuferschichten. Die Großuhren, ob Wand-, Tisch- oder Kuckucksuhren, sind hauptsächlich Importware aus dem Schwarzwald. Anderster verhält es sich mit den Taschenuhren. Diese sind um die Mitte des 19. Jahrhunderts zumeist englische Fabrikate dann aber auch immer mehr französische, schweizer und amerikanische Fabrikate die in London noch den letzten Schliff wie Gravuren oder Vergoldungen erhielten.
Das erste Beispiel für das reichhaltige Sortiment ist das hochwertig verarbeitete Taschenuhrwerk mit Spitzzahnankerhemmung ca. 1890.
Camerer, Kuss & Co. haben ein reichaltiges Angebot an Zugfederuhren in ihrem Ladengeschäft geführt. In dieser recht großen Tischuhr wurde ein frühes hölzernes Zugfederuhrwerk mit 1Tag Gangdauer verbaut, wie es schon Johann Hofmeier in den 1850er Jahren fertigte. Ich datiere diese Uhr um 1870. Das Uhrwerk darf Winterhalder & Hofmeier in Schwärzenbach und Friedenweiler, zugeordnet werden.
Maße:
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Tischuhr aus Schwärzenbach im Schwarzwald mit Nussbaumgehäuse, massivem Uhrwerk (frazösisches System), fliegenden Federhäuser, massivem Anker (Hakengang), Stundenschlag auf Tonfeder und Wecker. Die Signaturen verraten den Verkäufer (Camerer, Kuss & Co.) das Verkaufsdatum (20.06.1878), den Käufer (Mr. Bickley) und die erste Reparatur von J. Dold im April 1886. Tischuhren mit Schlagwerk und Wecker sind verhältnismäßig selten anzutreffen. Ganz im Gegensatz zu den Schwarzwälder Schilderuhren, bei denen oft zum Schlagwerk noch ein Wecker eingebaut sein kann. In England findet man spezielle Weckuhren, die Postman Alarm Clock. Diese Wanduhren bestehen meist nur aus Gewerk und Wecker. Bei dem Tischuhrwerk dürfte es sich um ein Werk von M. Winterhalder und Hofmeier aus Schwärzenbach und Friedenweiler handeln. Es ist das gleiche Rohwerk wie bei der größeren Tischuhr von Camerer, Kuss & Co., dass auch hier vorgestellt ist, in diesem Fall aber ohne Wecker. Das Rohwerk konnte also nach Belieben mit einem zusätzlichen Wecker ausgerüstet werden.
Bildergalerie Uhrwerk
Maße:
Breite: 113mm, Höhe: 116mm, Tiefe (Platinen) 44mm
Bracket Clock wird sie im englischen genannt, im Schwarzwald des 19. Jahrhunderts wird sie als Stock- oder Federzuguhr bezeichnet. Heute würde man wohl einfach Tischuhr sagen. Eine Uhr zum Hinstellen. Wie bei den Taschenuhren bietet Camerer, Kuss & Co. auch bei den Großuhren verschiedene Qualitäten für unterschiedliche Käuferschichten an. Bei dieser Tischuhr handelt es sich um eine gute Qualität. Das Gehäuse hat eine ordentliche Größe und ist hochwertig verarbeitet. Eingebaut ist ein recht großes und massives 8-Tage Zugfederuhrwerk nach französischem System mit Halbstundenschlag auf Tonfeder. Das Uhrwerk könnte von Winterhalder & Hofmeier Schwärzenbach/Friedenweiler stammen. Viele konstruktive Elemente sprechen dafür. Die Uhr stammt aus den 1870ger Jahren und hat eine schöne Alterspatina. Man kann gut erkennen wie sich im Laufe der Zeit und durch die aufgebrachten "Pflegemittel", die Holzfarben angleichen und der ehemals vorhandene Kontrast zwischen dem Furnier und den Einlegearbeiten verblasst.
Maße:
Höhe: 38cm, Breite: 30cm, Tiefe: 15,5cm
Bildergalerie Uhrwerk
Maße:
Breite: 115mm, Höhe: 117mm, Tiefe (Platinen) 45mm
1876 wurde diese Drop Dial Clock bei Camerer, Kuss und Co. in London verkauft. Dank den Firmenetiketten und den Signaturen lässt sich nachverfolgen, dass die Uhr auch immer wieder zu Camerer, Kuss zur Wartung und Reparatur zurückgebracht wurde. Das Gehäuse ist mit Nussbaumfunier veredelt. Dezente Bandeinlagen folgen der Kontur des Gehäuses. Das Zifferblatt aus Eisenblech trägt die Signatur mit der frühen Adresse 522. Oxford St. London. Die Lynette für das Zifferblattglas ist aus gedrücktem Messingblech. Verbaut ist ein 8 Tagewerk mit Holzplatinen mit Stundenschlag auf Tonfeder der Uhrenfabrik Winterhalder & Hofmeier.
Signaturen:
S 3.11.1876 E/KG
16.11.82. A.F
11/89/Y.D
2.95. B.
Maße:
Höhe: 370mm
Breite: 330mm
Tiefe: 140mm
Das Uhrwerk der Drop Dial Clock wird auf der Seite zu "Winterhalder & Hofmeier" noch mal genauer besprochen. Mit einem Klick auf das kleine Vorschaubild des Uhrwerkes gelangen Sie direkt auf die Winterhalder & Hofmeier Seite.
Das Edelsteine in Uhrwerken verbaut werden ist doch vielen bekannt. Diamanten, Rubine und andere Saphire gehören zu den häufigsten Edelsteinen die für die Lagerungen der Wellenzapfen oder als Decksteine Verwendung finden. Bei diesem Uhrwerk aus dem Handelshaus Camerer Kuss & Co. in London finden sich auch noch Malachit und Hämatit. Diese Edelsteine sind nicht immer sehr beliebt, wenn sie sich im Uhrwerk befinden. Sie können in den Taschenuhren entstehen durch Feuchteeintrag, viel Zeit und Ruhe. Bei diesem Beispiel haben sich schöne sternförmige Malachitkristalle ausbilden können. Korrosion hat seine eigene Ästhetik die durch Formenvielfalt und Farbenreichtum begeistern kann.
Werk: englische Spitzzahnankerhemmung, Kronenaufzug
Ø Platine Rückseite: 41,6 mm
Ø Platine Zifferblattseite: 43,8mm
Signatur: London No. 59074 Camerer Kuss & Co-56 New Oxford Street
England um 1910
Camerer, Kuss & Co - das in London ansässiges Uhrengeschäft verkaufte wohl auch in Baden Uhren. Wir wissen, dass Gordian Hettich aus Furtwangen in Baden, gemeint ist die heutige Stadt Baden-Baden, ein Ladengeschäft betrieb. Im Comissionsbericht zur Industrieausstellung Villingen 1858 heißt es: "Gordian Hettich, welchem eine Bude auf der Promenade in Baden zum Verkaufe der Erzeugnisse der Schwarzwälder Industrie eingeräumt ist, hat das Verdienst, Uhren in geschmackvolleren Formen in den Handel zu bringen." (Quelle 4, S. 74) Wie umfangreich der Handel von Camerer & Kuss dort war kann noch nicht beantwortet werden. Der Uhrmacher Joseph Maier aus Langenordnach lieferte das hintereinandergebaute 24 Stundenwerkle mit Kettenzug. Die Inschrift auf der Rückseite des Uhrwerkes lautet: 3709 S 15.3.75 L KE(?)/x (?). Unter anderem ist hier wohl das Verkaufsdatum vermerkt mit Sold 15.3.1875. Es könnte sich bei dem recht luftig und hell gestalteten Ührchen um ein Souvenier für den Kurgast in Baden gehandelt haben. Bei dem aufgebrachten Abziehbildchen mit der romantischen Ruinenlandschaft kommt einem der Gedanke an die von Baden 45 Kilometer Entfern liegende verfallene Klosterruine Allerheiligen, die bereits im 19. Jahrhundert eine Sehenswürdigkeit war. (Höhe des Lackschildes 21cm)
Ein Geschäft reiht sich an das andere. Die Oxford und die daran anschließende New Oxford Street gehöhrten zu den bekanntesten Geschäftsstraßen von London. Auch heute noch sind es mit die bedeutendsten Einkaufs- und Vesperstraßen von London. Auf der linken Straßenseite kann man auf der Potkarte das Schild mit der Nr. 56 und die darunter an die Hauswand montierte Uhr erkennen. Dort befindet sich das Uhrengeschäft von Camerer, Kuss & Co.
Die Firma Camerer Kuss & Co. hatte in London mehrere Filialen. Neben der in der Oxford Street bestand eine weitere in der Broad Street Nr. 2. im ehemaligen Ortsteil Bloomsbury.
Die Unruhwelle und das Gangrad sind in Steinen gelagert. Als Hemmung ist die englische Spitzzahnankerhemmung verbaut.
Ø Platinen Rückseite: 36 mm
Ø Platine Zifferblattseite : 41 mm
In der Fotogalerie ist dem Taschenuhrwerk mit der Werknummer 75456 das nur um drei Nummern verschiedene Werk 75459 gegenübergestellt.
Werknummer 75459
Werknummer 75456
In den 1880ger Jahren wurden in einem Teil der Oxfordstreet rege Bauarbeiten durchgeführt und es kam zu einer Umbenennung in New Oxford Street und damit verbunden auch zu einer Neunummerierung.
Terence Camerer Cuss nennt in seinem Buch: "Camerer Cuss &Co, The Bicentenary 1788-1988"
[Quelle1] das Jahr 1881 als das Jahr in dem die Umbenennung und Neunummerierung erfolgte. Eine Quelle für diese Jahreszahl nennt er nicht. Diese Taschenuhr trägt die Signatur von Camerer,
Kuss & Co 522 Oxford St. LONDON. Das Gehäuse wurde in London hergestellt und es ist die Punze E für das Jahr 1880 eingeschlagen. Die Uhr bestätigt somit die Angaben von Terence Camerer Cuss,
dass bis 1880 die alte Adresse galt. Nun fehlt nur noch eine datierte Uhr von 1881 mit der neuen Adresse um den Beweis zu vervollständigen.
London 1880, englische Spitzzahnankerhemmung, Silbergehäuse
Passend zu den signierten Taschenuhren gabs auch die Uhrenschlüssel von Camerer, Kuss & Co. mit je einer Filialadresse auf der Vorderseite und einer auf der Rückseite.
(Adresse auf der Rückseite: No. 2 Broadst. Bloomsbury London)
Weitere Uhrenschlüssel finden Sie unter der Rubrik: Uhren - A. Furtwängler
7 Steine (Diamantdeckstein), flache Spirale, polierter Unruhreif und fein gravierter Unruhkloben, das gehöhrt zur Grundausstattung des englischen Taschenuhrwerkes mit Spitzzahnankerhemmung von Camerer, Kuss & Co.
Das Taschenuhrwerk oben, ganz zu Beginn der Seite, besitzt Sonderausstattungen mit 13 Steinen (Lagerstellen zum Teil mit geschraubten Chatons), Spirale mit Endkurve und Schraubenunruh (Bimetall).
Bei der Signatur ist dem Graveur wohl ein kleiner Fehler unterlaufen. Die Adresse von Camerer, Kuss & Co. lautet auf dem Werk 56. Oxford St., es sollte wohl 56. New Oxford St. heißen.
England um 1885
Ein typischer Artikel der im Schwarzwald für den englischen Markt produziert wurde ist eine kleine Tischuhr mit Federzugwerk: das Cottätschle. Dieses Sortimentbeispiel der Uhrenhandlung Camerer, Kuss & Co. zeigt ein solches in der einfachen Ausführung mit Gehwerk und Wecker. Oft findet man ein Werk der Firma Winderhalder & Hofmeier in diesem Typ Uhren. Dieses hier verbaute Holzplatinenwerk, Hersteller unbekannt, könnte eine billigere Variante gegenüber den Messingplatinenwerken von Winterhalder & Hofmeier gewesen sein oder sogar selbst von Winterhalder & Hofmeier stammen.
Verkaufsdatum 8. Juli 1877
Im Laufe der Zeit haben die Adresse, die Anzahl der Filialen und die Geschäftsteilhaber gewechselt. Damit ist neben der Konstruktion des Uhrwerks, der Gestaltung des Gehäuses bzw. des Uhrenschildes ein weiteres Instrument zur Datierung gegeben: Das Firmenetikett.
Quellen: