Seit 2014 ist die Wanderschaft der Handwerksgesellen in das Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes Deutschlands eingetragen. Wollte früher ein Handwerksgeselle nach seiner Lehrzeit auf Wanderschaft gehen, so brauchte er ein Wanderbuch. Das Wanderbuch war ein offizielles Dokument und wurde von einer Regierungsbehörde und später von den Handwerksverbänden gegen eine Gebühr ausgehändigt. Die alten Wanderbücher beinhalten unter anderem auch den für das Umherziehen benötigte Reisepass. Heute wird die Wanderschaft oft mit dem Handwerksgesellen des Baugewerbes, besonders den Zimmermännern, verbunden. Auf dieser Seite werden Wanderbücher unterschiedlichster Handwerker aus den verschiedenen Reichsstaaten des 19. Jahrhunderts zum Selbststudium zur Verfügung gestellt. Die Wanderbücher sind Chronologisch eingeordnet. Die Wanderbücher befinden sich auf meiner Seite zum Schwarzwald, weil das erste in meiner Sammlung das Wanderbuch des Uhrmachers Bilharz aus Kenzingen war. Um die Wanderschaft, heute mit vielen hübschen Geschichtle verklärt, besser zu verstehen, sind die Wanderbücher hervorragende Primärquellen.
Überblick der weiter unten einzusehenden Wanderbücher
Nicht jeder Wandergeselle erlebte es seine Heimat wieder zu sehen. Starb ein Geselle auf der Wanderschaft wurde er vor Ort zeitnah beerdigt und an seine Heimatgemeinde bzw. dem zuständigen Pfarramt eine beglaubigte Abschrift des Totenbuches zugesandt. In das Totenbuch der zuständigen Pfarrgemeinde wurde dann ein entsprechender Vermerk eingetragen. Der folgende Brief ist eine solche beglaubigte Abschrift, in der der Heimatgemeinde Eisenbach im Schwarzwald der Tod des Wandergesellen Joseph Schwörer in Bonndorf mitgeteilt wird. Das hochwertige Briefpapier enthält Wasserzeichen und wurde mit großem Papiersiegel verschlossen.
An das Großherzoglich-Badische Hochwürdige Pfarramt zu Friedenweiler (Dienst Sache)
Auszug aus dem Todtenbuche der Pfarrey Bonndorf deto den 7ten März i8i8 hol. i04 No 8 Actum Bonndorf am 7ten März i8i8
Im Jahre eintausend achthundert zehne und acht den fünften März starb zu Bonndorf Vormittags ii Uhr Joseph Schwörer. Nachdem bey demselben vorgefundenen Wanderbuche war derselbe ledigen Standes, seiner Proffession ein Schuster, gebürtig aus dem Eisenbach im Amte Neustadt und im zwanzigsten Jahre seines Alters. Die Namen der Eltern sind disseits unbekannt. Der Leichnam wurde den siebten März des nämlichen Jahres Vormittgs halb 10 Uhr auf dem hiesigen Gottesacker im Beyseyn der Todeszeugen des Sätlers Alois Kern und des Glasers Rudolph Wetis beede Bürger zu Bonndorf, beerdiget.
Der getreue Auszug wird beurkundet Bonndorf am iiten März i8i8
[...] Groß. Bad. Pfarramt
Frey [...] Prarrverweser
Anmerkung: Aus dem Totenbuch von Eisenbach geht hervor, dass Joseph Schwörer Sohn der Helena Kern ist. Vom Vater berichtet der Eintrag ungewöhnlicherweise nichts. Die Todesumstände des jungen Gesellen werden wohl im dunklen bleiben.
Der nebenstehende Brief ist ein Zeugnis davon, was einem Handwerksgesellen droht, wenn er beim Betteln während der Wanderschaft erwischt wird, denn das Betteln war verboten. Aus den 15 Kreuzer Bettelgebühr, die der Geselle Jakob Schelling der Stadt Eberbach scheinbar nicht zahlen konnte, wurden mit all den Postgebühren 27 Kreuzer die seine Heimatstadt Gochheim bezahlen musste.
Folgend ist der Brief umgeschrieben für alle, welche die Schrift nicht gut lesen können:
"Bettelgebür Jakob Schelling
Das Großherzogliche Bürgermeisteramt Eberbach an jenes in Gochsheim (Amt Bretten)
Jokob Schelling von dort wurde heute hier auf dem Bettel Antroffen, mit Arrest belegt, aus der Stadt gewiesen, Notifikation hirvon in sein Wanderbuch gemacht, und die Gebühr mit 15 Kr aus der Stadtkasse vorschüßlich bezalt. Man stellt nun das dienstfreundschaftliche Gesuch um Ersatz des obigen Betrags, der auf der Post in dessen nachgenommen wurde.
Eberbach den 8ten Merz 1842"
Frühes Wanderbuch für den Chirurggesellen Friedrich Benther aus Marcksuhl, heute ohne ck geschrieben. Das Wanderbuch beinhaltet das Zeugnis des Lehrmeisters und eine gestochene Ansicht der Wartburg. Die leeren Seiten sind nicht veröffentlicht.
Das Wanderbuch ist mit 64 Seiten vollständig. Die leeren Seiten sind nicht veröffentlicht.
Das Wanderbuch beinhaltet auch das Zeugnis des Lehrmeisters und eine Stadtansicht von Gera.
Das Wanderbuch des Georg Bilharz enthält einen Reisepass für das In- und Ausland. Des Weiteren sind Belehrungen abgedruckt an die sich der Handwerksgeselle während der Wanderschaft halten musste. Auf den Seiten 12 bis 19 sind die verschiedenen Visa eingetragen mit deren Hilfe man die Wanderschaft des Uhrmachergesellen nachvollziehen kann. Das Wanderbuch ist als solches mit 64 Seiten komplett. Es fehlt mir allerdings die Verlängerung des Reisepasses ab dem 1. September 1850 bis 1851 und die Bestätigung des Lehrmeisters für die Ausbildungszeit. Das Uhrmacherhandwerk ist seit 2021 ebenfalls in die Liste des immateriellen Kulturerbes Deutschlands aufgenommen. Somit ist das Wanderbuch des Uhrmachers doppeltes Zeugnis für UNESCO-Welterbe.
Das besondere an dem Wanderbuch für den Seilergesellen Adam Seger ist die lange Benutzung. Fast das gesammte Dokument ist voll mit Visa. Sie reichen vom Ausstellungszeitpunkt, Engen den 5. August 1850, bis zum Antritt der Heimreise, Winterthur den 22. April 1860. Da der erste, vorgedruckte Reisepass nur für ein Jahr ausgestellt ist, sind neben den Visa Einträgen auch die Verlängerungen der Reiseerlaubnis zu finden.
Reisepäße und Verlängerungen:
Seite 4 auf ein Jahr, Seite 11 auf ein Jahr,
Seite 35 auf drei Jahre, Seite 37 auf drei Jahre,
Seite 58 auf drei Jahre
Das Wanderbuch beinhaltet einen Stich mit der Stadtansicht von Weimar, das Arbeitszeugnis des Lehrmeisters (sein Vater) und die Wandererlaubnis mit Inpfnachweis. Zu den amtlichen Seiten des Wanderbuches, ist hinten noch eine Seite zu den Regeln der Wanderschaft eingeklebt.
Das Königlich Bayerische Arbeitsbuch beinhaltet Lehrbrief, Wanderbuch, Reisepass und Arbeitszeugnisse in einem. Das gesamte Arbeitsleben des Färbergesellen kann somit nachvollzogen werden. Der Reisepass für das Inn- und Ausland schließt Reisen in die Schweiz und nach Frankreich aus. Dem Arbeitsbuch ist ein zusätzliches Arbeitszeugnis von 1869 beigelegt. Das Arbeitsbuch ist somit mehr als die Wanderbücher wie sie auf dieser Seite vorgestellt werden.
Das Wanderbuch des Königreichs Hannover ist mit 16 Blättern (32 Seiten) recht dünn gegenüber den anderen mit oft doppelt so vielen Seiten. Die Blätter sind nicht versiegelt, dafür sind aber alle Seiten mit einem Hintergrundsmuster bedruckt.